Atomprotest

Endlagersuchgesetz: Offener Brief der Grünen in Lüchow-Dannenberg

Auch der grüne Kreisverband geht nun in Sachen „Endlagersuchgesetz“ auf Konfrontationskurs zur Bundespartei. In einem offenen Brief an den Bundesvorstand laden sie diesen zu einem „kritischen Austausch“ ins Wendland ein …

Offener Brief an den Bundesvorstand der Partei Bündnis 90/Die Grünen Lüchow-Dannenberg, im Juli 2012

Liebe Freundinnen und Freunde,
mit großer Sorge und Irritation haben wir den Beschluss des Bundesvorstands gelesen. Darin heißt es: "Nach dem von uns angestrebten Regierungswechsel in Niedersachsen wird es auf der B-Seite keinen Ministerpräsidenten mehr geben, der für ein Endlagerauswahlverfahren eintritt. Daher wird die Einigungsbereitschaft der von Union und FDP regierten Länder ab Anfang 2013 deutlich sinken, was den Prozess zur Findung einer Lösung grundsätzlich in Frage stellen kann. "
Soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Rot-Grün-Mehrheit in Bundesrat keine faire Endlagersuche zustande bringen würde, und die Chance dazu nur durch die CDU/ CSU besteht? Wer eine solche Behauptung ernst meint, sagt im Klartext, dass es niemals die geringste Chance für „Ergebnisoffenheit" und ein „faires Verfahren" geben wird.
Wir konstatieren, dass ihr aus eurer Berliner Sicht offenbar alle Beteuerungen der regionalen SPD nur für regionale (Wahlkampf-)Aussagen haltet, die bundesweit nicht relevant sind. Das grüne Vertrauen sowohl in den erhofften zukünftigen Regierungspartner als auch in die eigenen Mannschaften in den eventuell betroffenen Bundesländern scheint ebenfalls äußerst gering zu sein!
Ein weiterer Punkt ist uns vollkommen unverständlich und nur ärgerlich: (Zitat)
"Eine weitere Verzögerung bei den Verhandlungen würde zu Lasten von Gorleben und den dort betroffenen Menschen gehen. Denn der Bau eines Endlagers in Gorle- ben würde dann ungehindert fortgesetzt." Der erste Satz ist geradezu ein Wortzitat der hiesigen CDU und stößt sauer auf. Das einzi- ge, was die von euch vereinnahmten betroffenen Menschen vor Ort wirklich aus ihrer mehr- fachen Betroffenheit erlösen würde, ist der sofortige und unumkehrbare Verzicht auf Gorleben, wenigstens, dass wir Grüne den bundesweit fordern! Alle Kompromissbereitschaft eurerseits, die uns erklären möchte, dass es so naiv, wie wir uns das vorstellen, eben doch nicht geht, ist Gift für grüne politische Arbeit hier in der Region, gerade mit Blick auf die Landtagswahlen! Anderswo mag man es goutieren, dass die Gefahr, den Atommüll bei sich aufnehmen zu müssen, nun vorüber ist. Hier wird der Eindruck, Gorleben sei für Grüne eine denkbare Option, zu katastrophalen Stimmenverlusten führen!
Im Übrigen hat Jürgen Trittin schon vor Jahren den "Schwarzbau Gorleben" angeprangert. Ein bisschen Buddeln mehr oder weniger ist dann auch nicht mehr so entscheidend. Die Castoren stehen da, die Pilotkonditionierungsanlage ist betriebsbereit, und untertage ist alles auch schon recht brauchbar hergerichtet. Der Bau eines Endlagers ist schon lange ungehindert fortgesetzt worden und nahezu abgeschlossen, und das wisst ihr.
Wir haben kein Verständnis dafür, dass uns unterstellt wird, wir hätten es eilig, nun endlich eine Entscheidung zu Gorleben vorgelegt zu bekommen. Mitnichten! Lieber als eine Lösung mit faulen Kompromissen ist uns allemal ein Abwarten zugunsten einer bundesweiten und unvoreingenommenen Debatte zur bestmöglichen Atommülllagerung. Ungefragt zu Leidtragenden der zögerlichen Entscheidungsfindung degradiert zu werden, nehmen wir nicht hin. Was wir wollen und fordern ist, dass sich die Grünen auch auf Bundesebene für eine weiße Landkarte ohne den Gorlebenfleck stark machen. Wenn Gorleben im Spiel bleibt, nehmen wir euch nicht ab, dass ihr ehrlich eine "ergebnisoffene" Suche anstrebt. Es wäre uns darum lieb, wenn ihr ohne weitere semantische oder taktische Purzelbäume zugeben würdet, dass euch im Sinne der Befriedung dieser Frage der Standort Gorleben zwar suspekt aber immer noch lieber als ein bundesweites Endlagergezänk ist. Gorleben nach offiziellem grünen Sprachgebrauch verhindern zu wollen und gleichzeitig alles zu seiner Zementierung zu tun ist doppelbödig.
Der Zeitdruck, den ihr empfindet, existiert nicht. Wahlen können doch nicht im Ernst darüber entscheiden, ob Atommüll über einen Zeitraum von einer Million Jahre sicherstmöglich gelagert werden wird! Angesichts der Tragweite der Entscheidung ist der Druck einer Landtags - oder Bundestagswahl einfach lächerlich. Und wie oben schon angeführt, eine rot-grüne Mehrheit sollte doch zu guten Lösungen kommen können - wenn sie denn wirklich ergeb- nisoffen gewollt ist.
Die Beschneidung von gerichtlicher Überprüfbarkeit, die Nichtbeteiligung der EVUs an den Kosten, die fehlende Bürgerbeteiligung und einige andere Passagen, die unklar oder zugunsten von Gorleben interpretiert werden können sind nicht hinnehmbar für uns.
Es ist beängstigend, in welchem Maß ihr die (gefühlte?) grüne Kompetenz in Sachen Atom auf's Spiel setzt. Nicht zuletzt wegen der Hinterzimmerverhandlungen, die die Glaubwürdig- keit der Akteure rapide verspielen, jedenfalls hier in der Region. (Dass ihr andernorts eitel Glück und Freude auslöst mit dem Festhalten an Gorleben, wollen wir gern glauben). Wenn dieser Prozess mit grüner Beteiligung an Küchentischen stattfindet, dann wird wohl das Festhalten an Gorleben beim Abwaschen beschlossen worden sein. Und die Mehrzahl der grünen Landesverbände wird innerlich frohlockend lieber zur jährlichen Gewissensreinigung nach Gorleben aufbrechen, als eine Endlagersuche im eigenen Wahlkreis der eigenen Be- völkerung erklären zu müssen. Wie durchsichtig und abgeschmackt - und für uns deutlich spürbar, dass notfalls die paar Stimmen aus unserem Wahlkreis in Niedersachsen fürs Große und Ganze nicht ausschlaggebend sein würden.

Übrigens - ist dann das Ziel eines Regierungswechsels für uns Grüne hier vor Ort noch erstrebenswert? Wenn uns dann womöglich die eigenen Leute an die Wand rennen lassen, die ihrem roten Bündnispartner nicht trauen können und deren schwarze Widersacher sich eh auf Gorleben festgelegt haben?!
Wir möchten euch einladen, hier vor Ort mit uns zu sprechen, weil wir glauben, dass es dringend nötig ist, unsere gegenseitigen Positionen in direktem Gespräch zu klären. Eine solche Gelegenheit zum kritischen Austausch halten wir für zielführend; ein erneutes Symposium zum Thema dagegen nicht.

Mit grünen Grüßen
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag Lüchow-Dannenberg 
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Samtgemeinde Lüchow (Wendland) 
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Samtgemeinde Elbtalaue
Maren Ramm, Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen KV Lüchow-Dannenberg 
Harald Förster, Sprecher Bündnis 90/Die Grünen KV Lüchow-Dannenberg 
Dr. Hans-Christian Lange, Sprecher Bündnis 90/Die Grünen OV Elbtalaue
V.i.S.d.P: Elke Mundhenk, Grünen-Fraktionsvorsitzende Kreistag Lüchow-Dannenberg, Stellv. Landrätin, Bürgermeisterin in Dannenberg